Seit dem 30. Oktober hospitiert Irene Dietrich aus Uruguay am Hardtberg-Gymnasium. Die Kollegin aus Südamerika, die an einer deutschen Schule in Uruguay unterrichtet, nimmt an einem Programm des Pädagogischen Austauschdienstes teil und möchte auf diese Weise Neues über das deutsche Schulsystem erfahren, um ausgehend davon den Deutschunterricht in ihrer Heimat zu bereichern. In einem kurzen Interview hat Irene letzte Woche Fragen zu ihrer Person und ihren Eindrücken von Deutschland beantwortet.
Irene, stell dich kurz vor!
„Ich heiße Irene Dietrich und bin nun seit über 10 Jahren im Schuldienst. Ich bin Spanischlehrerin, unterrichte aber seit einigen Jahren Deutsch als Fremdsprache an einer deutschen Schule in Montevideo und in der Ciudad de la Costa, ca. 30km von der Hauptstadt entfernt, wo ich auch mit meinem Mann und unserer kleinen Tochter Amelia lebe. Wie man schon an meinem Namen erkennen kann, bin ich in Uruguay in einer deutschen Familie aufgewachsen – meine erste Reise nach Deutschland habe ich jedoch erst im Erwachsenenalter unternommen. Ich habe den kleinen hessischen Ort Biebesheim gesehen, wo mein Onkel lebt. Außerdem war ich im Grimm-Museum in Kassel und habe München, Stuttgart, Meißen und Dresden besichtigt. In Bielefeld habe ich außerdem Freunde.“
Du unterrichtest an einer deutschen Schule – was bedeutet das genau?
An unserer Schule kann man das deutsche Abitur ablegen – so wie man am HBG als Schüler(in) des bilingualen Zweigs das französische Abitur machen kann. Dieses Abitur ist in der EU anerkannt, sodass die Absolventen unserer Schule im europäischen Ausland studieren können, was für viele interessant ist. Wie auch am HBG kaum Muttersprachler in den bilingualen Klassen zu finden sind, haben auch wir nur wenige Muttersprachler, aber es kommen viele Kinder von ehemaligen Schülern und Schülerinnen unserer Schule zu uns, um das deutsche Abitur zu machen.“
Was ist dir besonders am HBG aufgefallen?
„Die Schüler und Schülerinnen haben hier eine große Auswahl an Unterstützungsangeboten. Sie haben zum Beispiel in den Stundenplan integrierte Förder- und Forderkurse, sie können am Nachmittag in ein Lernbüro gehen, um den Stoff zu wiederholen oder zu üben oder aber Nachhilfe bei älteren Schülern und Schülerinnen nehmen. Ich finde es auch wichtig, dass die Kinder in der Regel selbst entscheiden, ob sie von diesen Angeboten am Nachmittag profitieren wollen. Unsere Schüler und Schülerinnen haben meist bis 17 Uhr Unterricht – danach sind sie müde und können sich nicht mehr gut konzentrieren. Außerdem haben sie solche Angebote am Nachmittag nicht.
Zudem ist mir aufgefallen, dass das Hardtberg-Gymnasium sehr gut auf die Arbeit mit Inklusionsschülern und -schülerinnen vorbereitet ist. Es gibt differenzierende Materialien und sowohl Räume als auch Personal sind vorhanden. Man unterstützt die Kinder in ihren Stärken und Schwächen.
Was die Stundenpläne betrifft, so gibt es auch Unterschiede zwischen Deutschland und dem Uruguay. Die Unterrichtsstunden dauern bei uns 80 Minuten, dazwischen gibt es 15 Minuten Pause. Unsere Mittagspause ist 40 Minuten lang, während die jüngeren HBG-Schüler und -Schülerinnen eine einstündige Pause haben.“
Wie findest du Bonn?
„Bonn ist eine sehr schöne Stadt – es gibt eine riesige Auswahl an historischen und kulturellen Orten. Schön finde ich auch die vielen Parks und Grünanlagen. Das Angebot an Museen ist ebenfalls sehr gut. Ganz besonders hat mich das Haus der Geschichte beeindruckt, wo ich sogar zweimal war, um mir die Zeit zu nehmen, die ganze Dauerausstellung zu sehen – dort gibt es sehr viel zu entdecken. Ich finde es gut, dass sich die Deutschen mit ihrer Geschichte auf so vielfältige Art und Weise auseinandersetzen.
Praktisch ist, dass man sich in Deutschland auf die öffentlichen Verkehrsmittel ganz gut verlassen kann und dass das Netz so gut ausgebaut ist. Ich fahre hier oft Bus und Bahn. Es ist außerdem auffällig, dass in Bonn viele Menschen Fahrrad fahren und man das hier auch sehr gut machen kann. Das finde ich gut.“
Und kulinarisch?
„Ich habe Rotkohl probiert – das ist nicht mein Fall. Außerdem war Hirschgulasch neu für mich, da es in Uruguay eher ungewöhnlich ist, Wildfleisch zu essen. Natürlich habe ich schon deutsche Biere probiert. Neu war für mich das Bönnsch, das mir sehr gut geschmeckt hat – ein Stück Lokalkultur. Lecker fand ich auch die Weckmänner, die ich zuvor nicht kannte.“
Welche Pläne hast du noch?
„Ich möchte gern das Beethovenhaus sehen und noch mehr von der Altstadt entdecken. Außerdem steht Poppelsdorf mit der Poppelsdorfer Allee, dem Schloss und dem botanischen Garten auf meinem Programm. Köln und den Kölner Dom sollte man sicher auch sehen, wenn man im Rheinland ist – das habe ich vor.“
Was bringst du deiner Tochter Amelia aus Deutschland mit?
„Auf jeden Fall bringe ich Gummibärchen mit – Haribo ist eine Bonner Marke, also passt das ganz gut. Sie liebt besonders die roten Gummibärchen. Außerdem werde ich für meine Familie Schokolade von Lindt kaufen, damit alle etwas probieren können. Ich habe auch schon einen Laden in Bonn entdeckt, in dem es viele Sorten davon gibt, die man in Uruguay nicht bekommt.“
Was sollten wir in Uruguay nicht verpassen, wenn wir das Land eines Tages besichtigen?
„Man sollte auf jeden Fall das gegrillte Rindfleisch in einem mercado del puerto in Montevideo probieren. Dort kann man gleichzeitig schöner Tango-Musik lauschen. Außerdem empfehle ich den schönen Strandort Punta del este und als besonderes Highlight den Cabo polonio – einen kleinen Fischer- und Badeort, der sich dadurch auszeichnet, dass es dort keinen Strom gibt und die Häuser mit Kerzen beleuchtet werden. Die Natur dort ist beeindruckend – man kann zum Beispiel Seelöwen sehen. Man sollte dort auch die Buñuelos essen, das sind gebratene Pfannkuchen aus Algen.“
Vielen Dank für das Interview – wir wünschen dir noch eine schöne Zeit in Deutschland.